Tokio: Japans größter Duty-free-Shop befindet sich am Flughafen Haneda. Hier werden jeden Tag die Regale mit hochwertigem japanischen Whisky neu befüllt – und sind binnen Minuten wieder leer. Denn es ist nahezu unmöglich, japanischen Whisky zu kaufen.
"Heutzutage können wir nur 12 Flaschen Hibiki pro Tag für den Verkauf sichern“, äußerte der Filialleiter Michihiko Takano. „Wir stellen sie morgens um 7.30 Uhr in die Regale und sie sind innerhalb von 10 Minuten verschwunden."
Insgesamt schrumpft das Angebot an Hibiki, Yamazaki und anderen hochwertigen japanischen Whiskys. Branchenexperten sprechen sogar davon, dass es zu einer Schatzsuche für Kenner werde. In Tokios Nobel-Viertel Ginza werden Lagerbestände für 50.000 Yen (etwa 450 US-Dollar) Vintage-Yamazaki verkauft.
Besonders groß ist die Nachfrage bei alten Whisky-Sorten. Hier lag der Online-Verkaufspreis für eine Flasche Suntory Yamazaki 12 Year Old vor Kurzem bei über 20.000 Yen. In zwei Jahren stieg der Verkaufspreis um mehr als 70 Prozent und übertrifft den vom Unternehmen empfohlenen Verkaufspreis um das Doppelte. Auch der Verkaufspreis für den Nikka Taketsuru 17 Year Old ist seit Anfang 2018 um etwa 10 Prozent gestiegen. Besonders in den letzten Wochen stiegen die Preise stark an. Viele Händler gehen davon aus, dass Suntory bald einige Linien einstellen werde.
Vor etwa einem Jahrzehnt sah es noch ganz anders aus. Damals war japanischer Whisky noch nicht so bekannt und die Nachfrage überschaubar. Deshalb schlossen auch einige renommierte Destillerien. Suntory hat die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und kräftig auf das Come-back des japanischen Whiskys hingearbeitet. Allerdings hat die Nachfrage die Erwartungen des Unternehmens weit übertroffen.
Ein Mitarbeiter eines im Tokioter Stadtbezirks Ginza ansässigen Spirituosengeschäfts äußerte sich dazu folgendermaßen: „Niemand hat vorhergesagt, dass dies passieren würde. Für einige Käufer ist japanischer Whisky eine Investition auf etwas geworden, dass sie später für einen höheren Preis verkaufen können. Es ist eine Schande, dass wir es nicht mehr einfach genießen können.“
Höchste Preise erzielt beispielsweise der 50-jährige Yamazaki, von dem im Januar 2018 eine Flasche bei Sotheby’s in Hongkong für etwa 300.000 US-Dollar versteigert wurde. Manche Preise steigen so schnell, dass das Angebot-Nachfrage-Gleichgewicht aus dem Takt gerät und so schnell nicht wieder austariert werden kann. So äußerte beispielsweise ein Sprecher von Suntory: „Wir investieren so viel wie möglich, um die Kapazität unserer Destillerien zu erweitern. Aber die Versorgung erholt sich nicht schnell, da das Produkt Zeit braucht, um zu reifen. Bei manchen Produkten können wir die Nachfrage nicht decken.“
Der Aufschwung des japanischen Whiskys
Noch vor 10 Jahren war japanischer Whisky vollkommen aus der Mode gekommen. So reduzierte sich der Verbrauch zwischen 1989 und 2008 um nahezu ein Drittel auf 75 Millionen Liter, so Informationen der National Tax Agency. Vor allem bei der Jugend kam der Whisky nicht an, wurde er doch als Getränk des alten Mannes bezeichnet.
Vielleicht auch aus diesem Grund legte Suntory eine Kampagne auf, die den Whisky wieder attraktiver machen sollte. So wurde für die „Highball“-Getränke geworben, die aus Whisky und Soda bestehen und in Bars und Restaurants angeboten wurden. Diese wurden durch entsprechende Merchandising-Artikel, beispielsweise Markenkrüge und Gläser, ergänzt. Die Highball-Cocktails wurden schnell fester Bestandteil des Izakaya-Pub-Menüs und Suntory brachte dann die Dosenversion für private Haushalte auf den Markt. Danach positionierte Suntory Premium-Marken wie beispielsweise Yamazaki, Hakushu und Hibiki im Handel, um so der verstärkten Nachfrage nach Highball-Getränken Rechnung tragen zu können.
Eine nochmalige Steigerung der Nachfrage wurde durch ein Fernsehdrama erreicht, welches im Jahr 2014 ausgestrahlt wurde. Es erzählte die Geschichte von Masataka Taketsuru, der als erster Japaner in Schottland die Whisky-Herstellung studierte und später weiter perfektionierte. Er gründete unter anderem die Yamazaki-Destillierie.
Kurz nach der Jahrtausendwende erhielten Yamazaki, Hakushu und weitere japanische Markenwhiskys erste Auszeichnungen bei internationalen Wettbewerben. So zeichnete Jim Murray den Yamazaki Single Malt Sherry Cask 2013 in seiner „Whiskey Bible 2015“ als weltbesten Whisky aus. Zugleich erlebte auch der Tourismus in Japan einen regelrechten Boom. Allein zwischen 2012 und 2017 verdreifachte sich die Anzahl ausländischer Touristen.
Einige interessante Zahlen
Allein zwischen 2011 und 2016 stieg nach Angaben des in London ansässigen Industrieforschungsunternehmen IWSR der Umsatz, der durch den Verkauf von japanischem Whisky erzielt wurde, um 47,9 Prozent auf 13,37 Millionen 9-Liter-Kisten. Diese Forscher gehen aber davon aus, dass sich die Wachstumsrate bis zum Jahr 2021 wahrscheinlich auf 12,9 Prozent verringern wird. Suntory und auch die anderen renommierten Whiskyhersteller Japans arbeiten daran, weiterhin deutlich höhere Steigerungsraten zu erzielen. So plant Suntory beispielsweise einige neue Strategien. Es hat mittlerweile „nicht gealterte“ Variationen seiner Premium-Marken in den Handel gebracht. Diese sollen für Highball-Cocktails besser geeignet sein. Des Weiteren hat man den US-amerikanischen Whiskyhersteller Jim Beam übernommen.
Suntorys Sprecher erklärte dazu folgendes: Wir wollen neue Produkte anbieten, ohne dass die Qualität beeinträchtigt wird.“ Gleichzeitig wolle man dafür sorgen, dass „die Nachfrage, welche sich langsam aufhellt, auch weiterhin anhält“. So kündigte das Unternehmen beispielsweise an, etwa 260 Millionen US-Dollar in den Ausbau seiner Whisky-Produktionskapazitäten zu investieren. Natürlich setze man auch beim Ausbau der Produktion weiterhin auf die Aufrechterhaltung der hohen Standards, da diese für das Wachstum entscheidend seien. Qualitätskompromisse hätten hingegen negative Auswirkungen auf die japanische Whisky-Industrie, so der Suntory Sprecher.
Einige Unternehmen haben sogenannte „Shutter-Destillerien“ übernommen und bringen nun eigene Marken heraus. Als Beispiel sei hier Venture Whisky erwähnt, die eine kleine Destillerie nördlich von Tokio betreiben. Sie bieten ihren Whisky unter dem Label „Ichiro’s Malt“ an, das weltweit begeisterte Kritiken erhält.
Zu den renommiertesten Herstellern japanischen Whiskys gehört neben Suntory auch Nikka. „Aber es gibt auch kleinere Marken, die gut schmecken und erschwinglich sind“, so der Dekanta-Gründer Makiyo Masa.
Ob sich das Angebot in den nächsten Jahren erholen wird, ist noch dahingestellt. Zumindest bis zu den Olympischen Spielen, die im Jahr 2020 in Tokio stattfinden sollen, gehe man davon aus, dass sich das Angebot nicht erholen wird, äußerte der Direktor der Einkaufs- und Managementabteilung am Flughafen Haneda, Kozo Ishiki. „Dies wird uns noch große Kopfschmerzen bereiten“, so Ishiki. Wahrscheinlich werden sie auch dann jeden Morgen im Duty-free-Shop nur eine bestimmte Anzahl an japanischen Whisky-Flaschen in die Regale stellen können, welche dann binnen Minuten ausverkauft sind.